Die Wette auf Gott

Im Zuge des Aufbaus meines Exponates über die Aufklärung 2.0 fand ich unweigerlich zu einer der grundlegenden religiösen Fragen, nämlich nach der Existenz Gottes. Da ich aber nicht einfach nur zwei Ansichten darstellen wollte, habe ich nach einer Geschichte gesucht, die für aufgeklärte Menschen interessanter ist als eine Aufzählung von Meinungen. Gefunden habe ich diese in zwei Personen der Aufklärung – Blaise Pascal und Thomas Bayes. Und so entstand diese kleine Geschichte über die „Wette auf Gott“. Gleichzeitig habe ich durch die Unterteilung der Geschichte in kleine Kapitelchen auch noch die Themen für die zwölf Blätter des geplanten Rahmens gefunden. Es galt daher nur noch die Themen mit interessantem philatelistischem Material zu füllen. Hier nun das Ergebnis –die Texte sind 1:1 aus den Blättern übernommen.

Immer wieder zog es Blaise Pascal nächtens an die Spieltische der Pariser Salons. Da studierte er die Gesetze der Wahrscheinlichkeit, die mathematischen Regeln des Glücks. Vielleicht war es eine dieser Nächte, als ihm die Idee kam, auf den Lieben Gott zu wetten.

Das Ungewisse fasziniert: Pascals berühmte Wette: „Entweder Gott ist, oder er ist nicht. Worauf wollen Sie setzen?“ Zwei Möglichkeiten, zwei Optionen – beide ungewiss. Die Vernunft hilft uns nicht weiter. Was also tun?

Eigentlich eine einfache Sache: Entweder Gott existiert, oder er existiert eben nicht – eigentlich eine einfache Sache. Und doch gibt es kein größeres, kein tieferes Geheimnis. Seit Jahrtausenden mühen sich daran die größten Geister ab. Die Liste der vermeintlichen Gottesbeweise ist lang. Aber gescheitert sind sie alle – von Aristoteles bis in die heutige Zeit.
Thomas von Aquin versucht auf Grund von Erfahrungen einen Gottesbeweis zu erbringen. Zudem hat er die Gottesbeweise vor ihm zusammengefasst. Muss die Vernunft vor Gott kapitulieren? Können wir an ihn also nur glauben?

Wahrscheinlichkeit: Einige Theologen und Philosophen sehen eine Alternative: Sie versuchen nichts weniger, als die Wahrscheinlichkeit der Existenz Gottes zu berechnen! Ein aberwitziges Unterfangen? Nicht unbedingt! John von Neumann bewies 1928 das Minimax-Theorem für die Existenz einer optimalen Strategie in „Nullsummenspielen“. In der Spieltheorie von Neumanns werden Entscheidungssituationen modelliert, in denen sich mehrere Beteiligte oder auch Situationen gegenseitig beeinflussen. Die Plausibilität einer Hypothese soll auf Grund von Indizien bestimmt werden. Eine Glückssache oder Wahrscheinlichkeit?

Der Banküberfall: Angenommen, eine Bank wird überfallen: Die Polizei verdächtigt einen Mann, der zuvor bereits eine andere Bank ausgeraubt hat. Bei viel Geld melden sich immer Zeugen, die den Verdächtigen in der Nähe der Bank gesehen haben. Wie wirkt sich dieses Indiz auf den ursprünglichen Verdacht aus? Wenn dann gar noch eine Waffe vermutet wird, … Je mehr sich die Menschen untereinander unterhalten, desto unwahrscheinlicher wird es, dass der Mann rein zufällig dort war, obwohl er mit dem Überfall nichts zu tun hatte. Der Verdacht hat sich erhärtet, die Hypothese der Ermittler ist plausibler geworden.

Die Hypothese: Diese Methode können wir auch auf die Frage nach der Existenz Gottes anwenden. Unsere Hypothese lautet demnach „Gott existiert“. Wir gehen dabei von einer theistischen Gottesvorstellung aus, also von einem allmächtigen, allwissenden, ewigen und vollkommen guten Gott, der die Welt nicht nur geschaffen hat, sondern auch aktiv in sie eingreift. Weiters legen wir fünf große Indizienbereiche fest, also Fakten, die möglicherweise für oder gegen die Existenz Gottes sprechen: Die Entstehung des Universums, die Evolution, die Ordnung im Kosmos, das Gute und das Böse sowie die Evidenz religiöser Erfahrung.

Der Gottesindikator: Anfangswahrscheinlichkeit 50:50, das heißt völliges Nichtwissen ob Gott existiert oder nicht. Nun ermitteln wir, wie sich die Indizien auf unseren Anfangsverdacht (50 % Wahrscheinlichkeit) auswirken. Wie beim Spiel kommt es nicht auf die absoluten Zahlen sondern nur auf die Wahrscheinlichkeit an. Eine Idee mehr: Das Indiz ist viel wahrscheinlicher, wenn Gott existiert, als wenn er nicht existiert —> Gottesindikator 10. Wir wägen ab und rechnen und kommen auf kein Ergebnis —> Gottesindikator 1. Ein Minarett gibt es auch, vielleicht doch —> Gottesindikator 2. Es ist viel wahrscheinlicher, dass Gott nicht existiert —> Gottesindikator 0,1.

Die Bayes’sche Formel: Es geht um die Wahrscheinlichkeit der Existenz Gottes aufgrund unseres persönlichen Gottesindikators (GI).

Indiz 1 – Die Entstehung des Universums: Nach heutigem Wissensstand entstand unser Universum vor rund 14 Milliarden Jahren aus einem unvorstellbaren Feuerball. Die Explosion ereignete sich gleichsam aus dem Nichts heraus. Erst mit dem Urknall entstanden Raum, Zeit und Materie. Lange Zeit wähnten wir uns mitten in dieser Welt. Wenn Gott allmächtig ist, dann liegt es nahe, dass er auch etwas Großes, Bewundernswertes wie das Universum hervorgebracht hat. Im Einklang mit der Urknalltheorie könnte er das Universum aus dem Nichts geschaffen haben. Der Gottesindikator liegt daher beim Wert 2, das entspricht einer Wahrscheinlichkeit von 67 Prozent, dass Gott existiert.

Indiz 2 – die Ordnung im Kosmos: Die Feinabstimmung des Universums ist Voraussetzung für unser Leben. Es stellt sich nun die Frage, ob Gott eine wohlgeordnete, lebensfreundliche, bewundernswerte Welt geschaffen hat. Möglicherweise ist unsere Welt aber auch nur eine von vielen. Vielleicht ist sie aus Versuch und Irrtum hervorgegangen. Sterne und Galaxien haben sich gebildet, weil die Expansion durch die Gravitation verhindert wurde. Seit Entstehung des Kosmos gelten unveränderlich die universellen Naturkonstanten: Die Gravitationskonstante, die Lichtgeschwindigkeit und andere. Eine Abweichung von minimalen Bruchteilen würde das Leben auf der Erde unmöglich machen. Trotz vieler Forschungen können Physiker heute den Wert von 15 Naturkonstanten immer noch nicht erklären. Daraus ergibt sich ein Gottesindikator von 2, d.h. 80 % Wahrscheinlichkeit.

Indiz 3 – Die Evolution des Lebens: Die meisten Biologen sehen die Darwin’sche Evolutionstheorie – also die Entwicklung des Lebens nach dem Mechanismus von Variation und Selektion – heute als bestätigt an. Die Entwicklung von Lebewesen aus den Vorläufern lässt sich dokumentieren (zB Fossilfunde). Mit verschiedenen Methoden und der Logik lassen sich Ähnlichkeiten von biologischen Gruppen finden, die auf eine gemeinsame Abstammung hinweisen. Durch hochentwickelte Computeranlagen können komplexe Strukturen simuliert werden – diese evolutionären Mechanismen bräuchten keinen „intellegenten Gestalter“. Hätte der katholische Priester und Naturforscher Gregor Mendel bereits solche digitalen Rechenanlagen zur Verfügung gehabt, wären seine Entdeckungen noch weiter gediehen. Für Mendel gab es aber immer die lenkende Hand Gottes. Also: keine Entscheidung, die Wahrscheinlichkeit liegt nach wie vor bei 80%.

Indiz 4 – Das Gute und das Böse: Eines der herausragenden Merkmale des Menschen ist seine Fähigkeit zu moralischem Denken – also zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Diese Fähigkeit ist eine wesentliche Basis des menschlichen Zusammenlebens. Die Wahrscheinlichkeit, dass Gott die Menschen mit der Fähigkeit ausstatten würde, das moralisch Gute zu erkennen und zu wählen, können wir für hoch einschätzen. In Anbetracht von Kriegen und Massenmorden ist es unwahrscheinlich, dass in einer von Gott geschaffenen Welt so viel Böses existiert. Die Wahrscheinlichkeit schrumpft daher auf 45%.

Indiz 5 – Religiöse Erfahrung: Die monotheistischen Religionen sind über 2500 Jahre alt. Zu allen Zeiten berichten Gläubige von tiefen religiösen und mystischen Erfahrungen. Wie wahrscheinlich ist es denn, dass so viele Menschen an Gott glauben und religiöse Erfahrungen machen ? In Form von Wundern, wie in Lourdes, gibt es Hinweise, dass die Gebete auch erhört werden. Sigmund Freud erklärte den Gottesglauben zur Illusion, zum bloßen Ersatz für die väterliche Autorität. Karl Marx hielt die Religion für das „Opium des
Volkes“ während Friedrich Nietzsche eine „Umwertung aller Werte“ verlangte. Für viele ist sie einfach ein Tal der Hoffnung. Wahrscheinlichkeit daher bei 62,5 %.

 Die kürzeste Geschichte der Zeit: Die verblüffende Lösung des Spielers Blaise Pascal: „Nun aber ist hier eine Unzahl von unendlich glücklichen Leben zu gewinnen mit gleicher Wahrscheinlichkeit des Verlustes und des Gewinnes und was du einsetzest, ist so wenig und von so kurzer Dauer, daß es eine Tollheit wäre es bei dieser Gelegenheit zu sparen.“ Wenn das Glücksrad auf Gewinn stehen bleibt, gewinnen wir ALLES, wenn es auf Verlust stehen bleibt, verlieren wir im Vergleich recht WENIG:

  • Gott existiert und man glaubt an ihn – in diesem Fall wird man belohnt.
  • Gott existiert nicht, man glaubt an ihn oder auch nicht – in diesem Fall gewinnt und verliert man nichts.
  • Gott existiert und man glaubt nicht an ihn – in diesem Fall wird man bestraft.

In einem philatelistischen Exponat geht es nicht nur um eine gute Geschichte, sondern auch – oder besser gesagt vor allem – um das Material. Deshalb möchte ich hier noch kurz die in diesem Rahmen verwendeten philatelistischen Materialien auflisten: Briefmarken, Ortstagesstempel, Werbeflagge, Druckabweichung, Block, Firmenfreistempel, Paketkarte, selbstklebende Marke, Markenheftchen, Infla-Brief, Farbprobe, Telegramm, Allonge, Schiffspost, Probedruck, Kleinbogen, Ganzsache, ungezähnte Abart, Fancy Cancel, Maximumkarte.
Und das Wichtigste von allem: Das Zusammenstellen dieses Rahmens hat mir unheimlich Spaß bereitet – und das ist das Einzige, auf was es für mich in der Philatelie ankommt!