von Gerhard Blaickner
Ullrich Häger schreibt im großen Lexikon der Philatelie: „International gebräuchlicher Begriff für Briefe aus der Zeit der Vorphilatelie, die nicht einzeln mit der Post, sondern zu einem mehr oder weniger umfangreichen Paket verpackt einem auf Reisen gehenden Kaufmann, einer Speditionsfirma o ä. an solche Empfänger übergeben wurden, die am Zielort des Reisenden oder in der näheren Umgebung wohnten. Diese Art der Postzustellung widersprach zwar oft dem bestehenden Staatsmonopol, aber es wurde das früher sehr hohe Porto für einzeln aufgelieferte Sendungen gespart. Die privaten Briefvermittler begnügten sich für die Mitnahme eines Briefpaketes und die Verteilung der einzelnen Briefe mit einer erheblich geringeren Gebühr. Das aus dem Englischen stammende Wort „forwarded“ bedeutet „befördert“. Ein „forwarder“ ist ein Spediteur.“
In Schäfer: „Der Briefpostverkehr Schweiz – Ausland“ ist ergänzend nachzulesen: „In der Postgeschichte gibt es immer wieder Fälle, in denen Briefe nicht direkt an den Adressaten, sondern über Dritte (Forwarded-Agenten, Kommissionäre, Spediteure) an den Bestimmungsort gelangten. Die Gründe waren vielfältig, z.B. geschlossene Grenzen, die keinen direkten Verkehr zuließen, oder um Porto zu sparen wurden Briefe in Paketen in ein anderes Land gesandt und von dort einzeln aufgegeben.“
Forwarded Briefe bleiben nicht nur auf die Zeit der Vorphila beschränkt, es gibt sie auch in späteren Zeiten, etwa in Kriegsgebieten, wenn die offizielle Post nicht mehr einsatzfähig war oder auch noch während der Markenzeit, dann einfach deshalb, um die hohen Portokosten zu sparen und dies besonders dann, wenn es sich um Briefe ins Ausland handelte. Solche Briefe stammen meist von größeren Firmen bzw. Betrieben mit einem entsprechend hohen Postaufkommen.
Woran erkennt man solche Briefe?
- Relativ sicher am Absender, wenn Briefinhalt und Aufgabeort bekannt sind,
- sicherer am Firmenstempel (mit Ortsbezeichnung), der immer auf der Briefvorderseite abgeschlagen ist,
- und ganz sicher, wenn sich auf der Rückseite der Stempel des Spediteurs (forwarders) befindet.

Der abgebildete Beleg zeigt einen solchen Brief: Geschrieben von Friedrich W. Paas in Coeln am 27. September 1853 (das Datum geht aus dem Inhalt hervor), auf der Vorderseite mit dem blauen ovalen Firmenstempel (unter dem roten Tagesstempel von St. Gallen) versehen und an den „Forwarder““ Steinemann und Recknagel aus St. Gallen übergeben (Ovalstempel auf der Rückseite). In St. Gallen am 1. Oktober 1853 abgestempelt und nach Feldkirch spediert. Dort am gleichen Tag mit dem Ankunftsstempel (rückseitig) versehen.
Der Empfänger, die Firma Getzner, hatte zu dieser Zeit eine Textilfabrik in Feldkirch (später abgebrannt) und benötigte Soda (Natriumcarbonat) für die Stoffbearbeitung. Dieses aus England zu beziehende Produkt wird vom Händler in Köln zu (noch) günstigen Preisen angeboten. Das Porto von 10 Rp. war laut Vertrag vom 1. November 1852 zwischen der Eidgenossenschaft und dem Deutsch-Österreichischen Postverein die korrekte (recht niedrige) Taxe für das Grenzrayon (Rayon limitrophe bis 5 Meilen = 37,5 km in direkter Entfernung ohne Grenzberücksichtigung). Das reguläre Porto hätte 9 Kreuzer (Preußen – Österreich) plus ev. 3 Kreuzer Schweizer Transitporto = 12 Kreuzer betragen. Die 10 Rp. entsprachen 3 Kreuzer CM. Die Höhe der Vergütung an den Forwarder ist nicht bekannt.
Briefe im Grenzrayon mit dem reduzierten Tarif sind gesucht und nicht allzu häufig anzutreffen. Als „Forwarded“-Brief im Transit über ein Drittland ist dieser Beleg sicher eine kleine Besonderheit.